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Grundlagen und Eigenschaften von Polyphenylensulfid (PPS)
Polyphenylensulfid (PPS) ist ein teilaromatisches, teilkristallines Polymer mit einer einzigartigen Struktur aus Benzolringen, die durch Schwefelatome verbunden sind (Aoki et al., 2023). Diese besondere molekulare Architektur verleiht dem Material außergewöhnliche Eigenschaften, die es zu einem der wichtigsten Hochleistungskunststoffe in der modernen Industrie machen.
Die Kristallinität von PPS spielt eine entscheidende Rolle für dessen Leistungsfähigkeit. Typische Kristallinitätsgrade liegen, abhängig von der Verarbeitung, Füllstoffen und Additiven, zwischen 30-50% (Aoki et al., 2023). Diese Kristallstruktur wird maßgeblich durch die Abkühlrate nach der Verarbeitung beeinflusst:
- Langsames Abkühlen führt zu höherer Kristallinität mit erhöhter Steifigkeit und Elastizitätsmodul
- Schnelle Abkühlung steigert die Duktilität und verändert das Bruchverhalten
- Die Kristallinität bestimmt direkt die mechanischen und thermischen Eigenschaften
- Höhere Kristallinität resultiert in verbesserter Wärmeformbeständigkeit und größerer thermischer Stabilität
PPS weist einen hohen Schmelzpunkt von etwa 280–285 °C auf, wodurch es sich für Anwendungen eignet, bei denen kurzfristig hohe Temperaturen auftreten können (SpecialChem, 2024). Die Glasübergangstemperatur liegt bei rund 85–88 °C (Aoki et al., 2023). Dieser Bereich bedeutet, dass PPS bei Raumtemperatur hart und formstabil ist, jedoch oberhalb der Glasübergangstemperatur zunehmend elastisch wird. Je nach Anwendung kann dies sowohl vorteilhaft als auch einschränkend sein: Für Bauteile, die dauerhaft in Kontakt mit heißen Medien – etwa Wasser oder Dampf – stehen, ist PPS weniger geeignet, während es sich in elektrischen, mechanischen und chemisch belasteten Umgebungen durch seine hohe Dimensionsstabilität und thermische Beständigkeit bewährt.
Thermische Stabilität und Temperaturbeständigkeit
Die thermische Stabilität von PPS ist eines seiner wichtigsten Alleinstellungsmerkmale und macht es zu einem bevorzugten Material für Hochtemperaturanwendungen. PPS bleibt strukturell und mechanisch bis zu 220–240 °C stabil im Dauerbetrieb, während kurzfristige Belastungen bis zu 260–280 °C schadlos überstanden werden (Aoki et al., 2023).
Die hervorragende Temperaturbeständigkeit bietet mehrere entscheidende Vorteile:
- Langfristige Belastbarkeit über viele tausend Stunden bei Temperaturen bis 230 °C ohne signifikante Eigenschaftsverschlechterung
- Form- und Maßhaltigkeit durch geringe Wärmeausdehnung und hohe Dimensionsstabilität
- Weniger Materialermüdung dank starker thermischer Alterungsstabilität
- Minimiertes Risiko von Versprödung, Rissbildung oder Kriechvorgängen über den Lebenszyklus
Die Zersetzung des Materials beginnt erst bei circa 490 °C, was einen enormen Sicherheitsspielraum für praktische Anwendungen bietet (Aoki et al., 2023). Diese außergewöhnliche Temperaturstabilität ermöglicht den Einsatz von PPS in Extrembereichen, wo andere Kunststoffe versagen würden.
Chemische Beständigkeit und Materialvielfalt
PPS bietet eine exzellente Widerstandsfähigkeit gegenüber chemisch aggressiven Substanzen wie Säuren, Laugen, Lösungsmitteln und oxidierenden Medien – selbst bei Temperaturen bis über 200 °C (Aoki et al., 2023). Der Kunststoff ist weitgehend inert gegenüber UV-Strahlung und zeigt eine sehr geringe Wasseraufnahme von weniger als 0,1 Prozent, was seine Dimensions- und Formbeständigkeit auch unter extremen Umgebungsbedingungen deutlich unterstreicht.
Neben dem homopolymeren PPS existieren zahlreiche Varianten, die gezielt auf spezielle Anforderungen zugeschnitten sind. Dazu gehören Copolymere mit weiteren aromatischen oder sulfonhaltigen Einheiten sowie glasfaserverstärkte PPS-Compounds, die eine besonders hohe mechanische Belastbarkeit ermöglichen. Für tribologische Anwendungen werden zudem Kohlenstoff- oder Mineralfasern eingesetzt, während PPS-Fasermembranen in speziellen Filterprozessen Verwendung finden. Darüber hinaus stehen kommerzielle Typen mit unterschiedlichen Reinheitsgraden und variierenden Füllstoffanteilen zur Verfügung.
Die mechanische Belastbarkeit lässt sich durch den Einsatz von Füllstoffen deutlich erhöhen, wobei glasfaserverstärktes PPS als Standard für hochbeanspruchte Komponenten gilt (Aoki et al., 2023). Ergänzend zeichnet sich PPS durch seine natürliche Feuerfestigkeit gemäß UL94 V-0 sowie durch sehr gute elektrische Isoliereigenschaften aus.

Industrielle Anwendungen und Einsatzgebiete
Die wichtigsten industriellen Anwendungen von PPS liegen in Bereichen, in denen hervorragende thermische, chemische und mechanische Beständigkeit gefordert wird (MaxNext, 2024). Die Vielseitigkeit des Materials zeigt sich in seiner breiten Anwendungspalette:
Elektronik und Elektrotechnik:
- Isolatoren, Gehäuse, Leiterplatten und Steckverbinder
- Hochspannungsanwendungen dank elektrischer Isoliereigenschaften
- Sichere Verpackung empfindlicher Elektronikkomponenten
Automobilindustrie:
- Motorkomponenten, Kraftstoffsysteme, Lampenfassungen
- Thermostate, Sensor- und Verbindungsteile sowie Lager
- Gewährleistung von Zuverlässigkeit und Langlebigkeit unter extremen Bedingungen
Chemische Industrie und Verarbeitung:
- Ventile, Pumpengehäuse, Armaturen und Filtergehäuse für korrosive Medien
- Langlebige und tropfenfeste Komponenten in der chemischen Produktionstechnik
Die medizintechnische Anwendung profitiert von der hohen Biokompatibilität, Sterilisierbarkeit und Beständigkeit gegenüber Desinfektionsmitteln (MaxNext, 2024). In der Luft- und Raumfahrt werden PPS-Bauteile für ihre Zuverlässigkeit unter extremen Umgebungsbedingungen geschätzt.
Aktuelle Entwicklungen und Innovationen
Neue Entwicklungen bei PPS fokussieren sich auf spezielle Compounds, innovative Fertigungsverfahren und Materialmodifikationen für den Leichtbau und die Elektromobilität (Kunststoff-Magazin, 2024). Moderne PPS-Compounds enthalten verstärkende Additive wie Glasfasern bis zu 40% oder Mineralstoffe, wodurch Festigkeit, Kriechbeständigkeit und Stabilität bei hohen Dauerbetriebstemperaturen weiter verbessert werden.
Wichtige Entwicklungstrends:
- Optimierung für die E-Mobilität mit besserer Verträglichkeit zu ultra-niedrigviskosen Automatikgetriebeölen
- Blasform- und Leichtbau-Innovationen für komplexe Ladeluftrohre und Luftansaugmodule
- Nachhaltigkeit und verbesserte Recyclingfähigkeit durch chlorfreie, umweltfreundliche Compounds
- Kosteneinsparungen durch Fertigungsinnovation und Funktionsintegration
Hersteller entwickeln gezielt PPS-Lösungen für Komponenten in elektrischen Getrieben, Batterie-Dichtungen und Sensoren, die essentiell für E-Fahrzeuge sind (Kunststoff-Magazin, 2024). Die Verbindung mit innovativen Konstruktionsmethoden ermöglicht bis zu 25% Fertigungskostensenkung bei höchster Gestaltungsfreiheit und geringem Gewicht.
Fazit
PPS etabliert sich als unverzichtbarer Hochleistungskunststoff für anspruchsvolle Industrieanwendungen, der durch seine einzigartige Kombination aus thermischer Stabilität, chemischer Beständigkeit und mechanischer Festigkeit überzeugt. Die außergewöhnliche Temperaturbeständigkeit bis etwa 240 °C, die hervorragende Dimensionsstabilität sowie die natürliche Flammwidrigkeit machen PPS zum Material der Wahl für Extremanwendungen in der Automobil-, Elektronik- und Chemieindustrie.
Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass PPS trotz seiner hervorragenden Eigenschaften auch Nachteile aufweist. Dazu zählen die vergleichsweise hohen Herstellungskosten sowie die eingeschränkten Recyclingeigenschaften – der Werkstoff ist kaum abbaubar und lässt sich nur schwer wiederverwerten, was ökologische Herausforderungen mit sich bringt. Zudem ist PPS in der Regel dunkel eingefärbt (oft schwarz) und daher nur begrenzt in Farbvarianten verfügbar.
Die kontinuierliche Weiterentwicklung von PPS-Compounds und deren Anpassung an zukunftsorientierte Technologien wie die Elektromobilität unterstreichen dennoch die strategische Bedeutung dieses vielseitigen Materials. Mit seinem ausgezeichneten Kosten-Nutzen-Verhältnis im industriellen Einsatz und seinen hervorragenden Verarbeitungseigenschaften wird PPS auch in Zukunft eine wichtige Rolle in der modernen Materialtechnik spielen.
Literaturverzeichnis
Aoki et al. (2023) The history, interests and future of polyphenylene sulfide (PPS). High Performance Polymers, 35(10), 1060–1078.
Available at: https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/09540083231212148 (Accessed: 18 September 2025).
Kunststoff-Magazin (2024) Thermoplaste – Kunststoffe für den Fahrzeugbau. Available at: https://www.kunststoff-magazin.de/thermoplaste/thermoplaste—kunststoffe-fuer-den-fahrzeugbau.htm (Accessed: 18 September 2025).
Martan Plastics (2024) Polyphenylensulfid – Werkstoffe. Available at: https://martanplastics.com/werkstoffe/polyphenylensulfid/ (Accessed: 18 September 2025).
MaxNext (2024) Polyphenylensulfid (PPS) – Anwendungen und Vorteile. Available at: https://maxnext.io/de/blog/meta-titel-polyphenylensulfid-pps-anwendungen-vorteile/ (Accessed: 18 September 2025).
Meviy (2024) PPS Material Guide. Available at: https://de.meviy.misumi-ec.com/info/de/blog-de/materials-de/29521/ (Accessed: 18 September 2025).
SpecialChem (2024) Polyphenylene Sulfide (PPS) Plastic Guide. Available at: https://www.specialchem.com/plastics/guide/polyphenylene-sulfide-pps-plastic-guide (Accessed: 18 September 2025).