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Einführung und Grundlagen
Die Evolved Gas Analysis in Kombination mit Fourier-Transform-Infrarotspektroskopie (EGA-FTIR) ist eine etablierte Methode zur Analyse der thermischen Stabilität und der Emissionen von Additiven in Thermoplasten wie Polyethylen (PE), Polypropylen (PP) und Polyamid (PA). Insbesondere im frühen Stadium eines Thermoprozesses ermöglicht EGA-FTIR die Detektion von Abbauprodukten und flüchtigen, meist niedermolekularen Additiven, noch bevor Makrodefekte oder signifikante Materialschäden eintreten.
Funktionsprinzip der EGA-FTIR-Methode
Messprinzip
Bei der EGA-FTIR wird das zu untersuchende Polymer während eines kontrollierten Temperaturprogramms erhitzt. Die dabei freigesetzten flüchtigen Substanzen (z.B. Emissionen von Additiven, Spaltprodukte, Restmonomere) werden direkt in eine Gaszelle des FTIR-Spektrometers überführt und dort analysiert (4). Die entstehenden Infrarotspektren gestatten eine qualitative und (mit Kalibration) auch quantitative Identifizierung der freigesetzten Substanzen anhand charakteristischer Absorptionsbanden.
Verfahrensablauf
- Erhitzen der Probe: Das Polymermaterial wird in einem speziellen Thermowaagen-Ofen (z.B. im TGA-Modus) unter kontrollierten Bedingungen (Temperaturanstieg, definierte Atmosphäre) erhitzt.
- Freisetzung flüchtiger Verbindungen: Additive, Weichmacher, niedermolekulare Bestandteile oder erste Abbauprodukte verdampfen bereits bei moderaten Temperaturen und werden als Gasstrom („evolved gases“) aus dem Ofen ausgetragen.
- Überführung in das FTIR: Diese Gase werden kontinuierlich oder schrittweise über eine Transferleitung in eine Gasküvette des FTIR-Spektrometers transportiert.
- IR-Analyse: Im FTIR werden die Moleküle anhand ihrer charakteristischen Infrarot-Absorptionsbande identifiziert. Jedes Additiv oder Abbauprodukt besitzt ein spezifisches IR-Spektrum (Fingerabdruck), sodass selbst komplexe Mischungen qualitativ und – mit Kalibration – quantitativ analysiert werden können.

Spezifische Emissionsprodukte der Thermoplaste
Polyethylen (PE)
- Hauptprodukte: Aliphatische Kohlenwasserstoffe während der Pyrolyse, gasförmige Produkte wie Ethan, Ethen, Propan, Propen, Pentane und andere niedrigmolekulare Alkan- und Alkenverbindungen
- Oxidationsprodukte: CO, CO₂ bei Oxidation, besonders im späteren Stadium oder bei erhöhter Temperatur
- FTIR-Charakteristika: Intensive Banden für C–H-Streckschwingungen aliphatischer Ketten
- Besonderheiten: Nahezu keine stickstoffhaltigen Verbindungen, da PE keine Stickstoffgruppen enthält
Polypropylen (PP)
- Hauptprodukte: Vergleichbar mit PE, aber vermehrte Alkenemissionen wie Propen, 2-Methylpropen sowie verschiedene Alken- und Alkanderivate
- Oxidierte Abbauprodukte: Aldehyde, Ketone (v.a. Acetaldehyd, Acetone) und Carbonsäuren (z.B. Essigsäure), besonders bei oxidativer Degradation (2)
- Weitere Gase: CO, CO₂, H₂ sowie kleinere Mengen Wasserstoff
- FTIR-Charakteristika: Typische C–H-Valenzschwingungen bei leicht unterschiedlichen Wellenzahlen von PE aufgrund der Methylgruppenstrukturen
Polyamid (PA)
- Spezifische Produkte: Ammoniak (NH₃), Caprolactam (bei PA6), niedermolekulare Amide und Cyclohexanon bereits bei moderaten Temperaturen (150–300°C)
- Weitere Emissionen: Butadien, Alkylamide und geringe Mengen an aliphatischen und aromatischen Stickstoffverbindungen
- FTIR-Charakteristika: Besonders die Carbonylbande (C=O) um 1712 cm⁻¹ sowie Absorptionsbanden für NH- und CO-Gruppen, die PA-6 klar von PE und PP unterscheiden
Vergleichende Übersicht
Polymer | Hauptemissionsprodukte | Spezifische Moleküle | Spektrale Besonderheiten |
---|---|---|---|
PE | Aliphatische KW, CO, CO₂ | Ethan, Ethen, Propan, Pentane | C–H aliphatisch |
PP | Aliphatische KW, Aldehyde, CO₂ | Propen, Acetaldehyd, Essigsäure | C–H + Methylgruppen |
PA | Amide, Stickstoffverbindungen | Ammoniak, Caprolactam, Cyclohexanon | NH-, C=O-Banden, aromatische Fragmente |
Anwendungsbeispiele und Forschungsergebnisse
Verschiedene Studien demonstrieren die Leistungsfähigkeit der EGA-FTIR-Methode.Biale et al. zeigten, dass sich die thermischen Abbauprofile von Polypropylen (PP) und Polyethylen (PE) mittels EGA-Aufzeichnungen sehr sensitiv detektieren lassen. Die Methode zeigte beispielsweise für PP eine Absenkung der Abbaubeginn-Temperatur infolge künstlicher Alterung, verbunden mit veränderten Gasemissionen (1).
Park et al. konnten mittels TG-FTIR Zeiten und Temperaturen für die Emission spezifischer Pyrolyseprodukte aus verschiedenen Thermoplasten exakt festlegen. Insbesondere Gase mit geringem Molekulargewicht – etwa Additive oder Monomere – wurden früh im Temperaturprogramm quantifiziert (2).
Cuthbertson et al. beschrieben die Möglichkeit, Additive bereits durch FTIR-Spektren im EGA-Modus zu identifizieren und deren Konzentration über die Temperaturentwicklung nachzuverfolgen (3).
Vorteile und Anwendungsbereiche
Spezifische Vorteile
- Hohe Empfindlichkeit für flüchtige und halbflüchtige organische Additive
- Frühzeitige Detektion: Bereits im early-stage des Aufheizprozesses werden alle leicht- und mittelflüchtigen Additive erfasst – noch bevor makroskopische Veränderungen am Festkörper sichtbar sind
- Spezifische Identifizierung einzelner Emissionen über charakteristische FTIR-Banden
- Integrierbarkeit in bestehende Thermowaagen-Systeme (5)
- Breites Anwendungsspektrum: Neben Additiven können auch Restmonomere, Lösungsmittel oder chemische Modifikationen über ihre Gasemissionen überwacht werden
Anwendungsbereiche
- Qualitätssicherung von Rohpolymeren
- Additivstabilität im Recyclingprozess
- Entwicklung schadstoffarmer Formulierungen
- Fehleranalyse im Laboralltag
- Schnelles, nicht-destruktives Qualitätsmonitoring
- Ursachenforschung bei Labor-, Produktions- oder Recyclingprozessen
- Prüfung von Rohstoffen
- Entwicklung neuer Additivsysteme
Fazit
Die EGA-FTIR-Methode eignet sich ideal für die proaktive Überwachung und Entwicklung nachhaltiger Polymerformulierungen mit kontrollierten Emissionsprofilen. Diese spezifischen Emissionsprodukte ermöglichen eine frühzeitige und selektive Identifikation von Thermoplasten und ihren Additiven bereits im Early-Stage-Thermoprozess. Laboranwender und Ingenieure finden mit der EGA-FTIR ein leistungsfähiges Gesamtpaket für routinemäßige Untersuchungen, Failure-Analysen und prozessbegleitende Kontrolle.
Quellenverzeichnis
(1) Biale, G. et al. (2021). A Systematic Study on the Degradation Products of Polypropylene and Other Common Polymers via EGA–MS and Py–GC–MS Analyses. PMC. https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC8234390/
(2) Park, K.B. et al. (2023). Pyrolysis products from various types of plastics using TG-FTIR. ScienceDirect. https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0165237023001274
(3) Cuthbertson, A.A. et al. (2024). Characterization of polymer properties and identification of additives: Opportunities with TGA-FTIR. RSC Publishing. https://pubs.rsc.org/en/content/articlehtml/2024/gc/d4gc00659c
(4) Measurlabs (2006). Evolved Gas Analysis (EGA) | TGA-FTIR & TGA-MS. https://measurlabs.com/methods/evolved-gas-analysis/
(5) Linseis Messgeräte GmbH (2025). Beschreibung der Gas Analysis L40 EGA FTIR für Thermowaagen. https://www.linseis.com/en/instruments/additional-devices-support/l40-ega-ftir/ct*. https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0165237023001274