In der heutigen, schnelllebigen Welt werden Loyalität zum Arbeitgeber und Firmentreue immer seltener. Im Durchschnitt arbeiten in Deutschland ca. ein Drittel aller Arbeitnehmer nur noch maximal fünf Jahre für den selben Arbeitgeber. Ein weiteres Drittel bleibt immerhin zehn Jahre in der selben Firma. Doch lediglich ein Viertel bleibt das ganze Arbeitsleben lang einer Firma treu. Um so mehr ist es dann wertzuschätzen, wenn Arbeitnehmer nach fast fünfzig Jahren im selben Betrieb in den wohlverdienten Ruhestand gehen, in dem sie auch ihre Ausbildung begonnen hatten.
Bei der Firma Linseis Messgeräte in Selb, gingen im Frühling zwei solcher Urgesteine nach langjähriger, treuer Mitarbeit in Rente: Andrea Dießner und Hartwig Rädel. Die beiden waren fast schon seit der Gründungszeit der Firma dabei.
Hartwig Rädel geht nach 47 Jahren in den Ruhestand
Hartwig Rädel begann 1974 seine Ausbildung als Feingeräte-Elektroniker im damals noch recht jungen Unternehmen. Das Haupt-Vertriebsprodukt der Firma Linseis in jener Zeit waren Schreiber zur Messdatenerfassung, da der Computer seinen Triumphzug bei weitem noch nicht angetreten hatte.
So erlebte Herr Rädel den Beginn der thermischen Analyse – dem heutigen Hauptgeschäftsfeld der Firma – die Umstrukturierung vom analogen zum digitalen Zeitalter sowie die Erschließung internationaler Märkte. Genauso auch begleitete er Linseis beim Wandel eines lokalen Mittelstandsunternehmens hin zum weltweit agierenden Spezialisten für Nischenprodukte.
Herr Rädel wirkte dabei nicht nur tatkräftig mit, sondern prägte durch seine eigenen Entwicklungen Generationen von Messinstrumenten und Sonderlösungen. Fast jedes Sondergerät, das Linseis in den 1990er Jahren bis 2010er Jahren gebaut hat, war mit einer von Herrn Rädel entwickelten Leiterplatte bestückt und für viele, wenn nicht fast alle Probleme wusste er stets eine patente und meist kreative Lösung.
Geschichten und Anekdoten weiß Herr Rädel sicher einige zu berichten, jedoch wollte er für diesen Artikel keine davon zum Besten geben. Der Gentleman schweigt eben. Lediglich auf die Frage, was in den nächsten Jahren kommt, antwortete er ausführlich: „Erst einmal mache ich ein paar Wochen nichts. Füße hochlegen, erst einmal abschalten. Danach wartet ein Keller darauf, ausgemistet zu werden und es stehen einige Renovierungsarbeiten im Haus an, die zu lange aufgeschoben wurden. “
Andrea Dießner war über 49 Jahre bei LINSEIS beschäftigt
Andrea Dießner begann 1972 ihre Ausbildung als Industriekauffrau bei Linseis in Selb. Damals noch an der Schreibmaschine und nicht am PC, wo jeder Rechtschreibfehler noch unverzeihbar schwarz auf weiß auf das Papier gehämmert wurde. Auch sie durchlebte den Wandel der Firma, die voranschreitende Digitalisierung und immer komplexer werdenden Programme und Abläufe.
Seit vielen Jahren war Frau Dießner für Personal und Buchhaltung zuständig und somit direkt an der Schaltzentrale tätig. Sie erinnert sich noch an manch lange Nacht mit Stapeln von Frachtbriefen, Zolldokumenten, Rechnungen und Kontoauszügen. In analogen Zeiten war das eben auch nicht immer einfach. Inzwischen gibt es Programme, die das teils automatisch ablaufen lassen. Ob dadurch weniger Stress aufkommt, ist allerdings fraglich.
Leider geht mit so erfahrenen Mitarbeitern auch immer Know-How verloren, welches die nachfolgenden Generationen erst durch Erfahrung lernen müssen, um die Firma auch erfolgreich durch die nächsten 50 Jahre manövrieren zu können.
Mit der derzeitigen Corona-Krise und den damit verbundenen Umstellungen und Einschränkungen haben die beiden nun wirklich „alles” noch miterlebt, was man in einer „Arbeitsgeneration“ überhaupt miterleben kann und verabschieden sich nun in den mehr als verdienten Ruhestand.
Auf eine große Abschiedsfeier mussten sie verzichten, dennoch lies es sich die Geschäftsführung nicht nehmen, sich gebührend von den beiden Mitarbeitern zu verabschieden.
Senior-Chef Claus Linseis und seine beiden Söhne Florian und Vincent Linseis bedankten sich bei Frau Dießner und Herrn Rädel mit einem Präsent für die langjährige Treue sowie sehr gute Arbeit und wünschten einen erholsamen Start in den Ruhestand.